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Oswiecim / Auschwitz
von quinney In der Kategorie Allgemein am 29.05.2018 um 00:58 Uhr.

Lange hatte ich es geplant und musste es doch aufgrund von Urlaubsperren zwei Mal verschieben. Gemeint ist meine Reise nach Auschwitz.

Mittwochs früh bin ich von Frankfurt mit dem Zug Richtung Auschwitz aufgebrochen. Allerdings mit einem Zwischenstopp in Pardubice (Tschechien). Gegen 17 Uhr kam ich dort an. Schnell ins Hotel und dann gleich weiter in den Fanshop von Dynamo Pardubice um den dessen Betreiber Martin zu überraschen. Vorher hatte ich schon Pavel informiert, der sich bei meinem letzten Besuch im April rührend um mich gekümmert hatte. Martin staunte nicht schlecht als ich um 17:30 Uhr in den Fanshop kam und das Team mit den Worten: „Dobré vecerní, dámy a pánové!“ (Guten Abend meine Damen und Herren) begrüßte. Martin hatte mir sofort eine Flasche Wasser kostenlos zur Verfügung gestellt. Wir haben uns bis 18:30 Uhr unterhalten, währenddessen hat mir eine College Jacke und diverse kleinere Fanartikel, plus eine Flasche Wein geschenkt.

Donnerstag gegen 12 Uhr ging es dann mit dem Zug von Pardubice aus über Ostrava weiter nach Auschwitz. In Polen benötigte der Zug dann für die ca. 70km von der Grenze bis nach Auschwitz fast 90 Minuten. Aufgrund des Zustandes der Schienen konnte der Zug wohl nicht schneller als 50-60km/h fahren. Um kurz vor 17 Uhr kam ich dann in meiner Pension im Auschwitz an. Das Guest-House hat lediglich 7 Zimmer und wird von einer sehr netten Frau betrieben. Mein Zimmer war ein 4-Bett-Zimmer absolut sauber und modern eingerichtet. Klasse!
Da die Pension nur ca. 8 Gehminuten vom KZ Auschwitz entfernte war, bin ich auch gleich aufgebrochen. Ich hatte zwar kein Ticket – welche man vorher Online reservieren musste – aber ich wollte mir lediglich schon den Weg dahin anschauen um Freitag früh ohne Umwege anzukommen. Als ich am KZ ankam, war der Besucherandrang überschaubar. Ich fragte ob man jetzt noch Tagestickets bekommen kann? Konnte man! Ich also ein Single-Ticket ohne Führung geholt (welches kostenlos) ist. Am Eingang wird man durchgecheckt wie am Flughafen. Alle Gegenstände musste man ablegen, da diese geröntgt wurden, ich selbst musste auch durch eine Sicherheitsschranke hindurch. Als dies alles erfolgreich abgeschlossen war konnte ich das Eingangsgebäude verlassen.

Draußen angekommen, sah ich auch gleich den Schriftzug „ARBEIT MACHT FREI“ über dem Tor. Ein beklemmendes Gefühl kam in mir auf als ich davor stand. Nach einigen Minuten ging ich weiter und betrat das erste Gebäude. Dort im ersten Zimmer erstarrte ich zum ersten Mal. An den Wänden hingen unzählige Bilder von Opfern. Mit Namen, Geburtsdatum, deportiert am, vernichtet am…. Urplötzlich war das Grauen nicht mehr anonym, sondern hatte Gesichter!! Beim Anblick der Bilder von den Kindern hatte es mich das erste Mal gepackt. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Nicht nur mir ging es so.
Im nächsten Gebäude „Der chirurgischen Abteilung“ war ebenfalls gleich das Behandlungszimmer – noch in der original Einrichtung zu sehen – dort wurde u.a. die Phenolspritze mitten ins Herz gesetzt und diverse Experimente an Menschen gemacht. Mir gefror das Blut in den Adern. Im nächsten Zimmer hing an Bild an der Wand, darauf waren 4 männliche Jugendliche zu sehen. Bei genauerem Hinsehen sah ich, dass diesen 4 die Genitalien KOMPLETT entfernt wurden. Zwischen den Beinen war nichts mehr! Keine Ahnung ob die Jungs noch pissen konnten oder ob da einfach alles vernäht war. UNFASSBAR!! Ich kann nicht beschreiben wie entsetzlich ich mich fühlte. Ich musste raus an die Luft und mich hinsetzen. Ich weiß nicht wie lange ich da saß. Ich raffte mich wieder auf ging weiter. Ich kam an ein Gebäude, wo im Innenhof die Erschießungswand war. Vor diese Wand wurde aus Holz eine weitere Wand aufgebaut an diese sich die Opfer stellen mussten und dort erschossen wurden. Erwachsene Besucher hockten auf den Treppenstufen in diesem Innenhof hielten ihre Hände vors Gesicht und ließen ihren Tränen und der Verzweiflung freien Lauf. Mir wurde auch wieder ganz anders als ich direkt vor dieser Holzwand stand. Am Boden lagen diverse Blumen und Kränze.
Ich betrat noch mehrere Gebäude und meine Fassungslosigkeit, Trauer, Wut, Ohnmacht und was weiß ich noch alles wurde größer und größer. Irgendwann kam ich einen Betonbunker, der zur Gaskammer und Krematorium umfunktioniert wurde. Beim Eintritt in den Bunker schnürte es mir schon den Hals zu. Ich bog nach rechts ab und stand in der Gaskammer. Ich verlor den Bodenkontakt unter den Füßen. Wie auf Watte stand ich fassungslos da. Wie betäubt ging ich in den Raum nebenan. Das Krematorium! Dort stehen 2 Öfen mit je 2 Öffnungen. Direkt darunter wurden im Boden 4 Schienen angefertigt auf diesen 4 Metallschlitten standen.
Ich hatte genug und musste zurück ins Hotel. Dort habe ich mich in meinem Zimmer versucht zu sammeln. Nach 30 Minuten bin ich dann los Richtung Zentrum. Als ich auf die Rezeption zu lief, sah mich Arleta. „Michael you are ok?“, fragte sie. Nein, ich bin nicht ok. Es ist alles so schrecklich. Wir haben uns dann Unterhalten und Arleta meinte dann, dass sich jeder bitte ein einziges Mal Auschwitz sehen sollte. Im nächsten Jahr kann man gerne wieder nach Spanien fahren, aber bitte ein einziges Mal im Leben sollte man das gesehen haben.

Freitag früh bin ich dann die 2 Kilometer nach Birkenau ins dortige KZ gelaufen. Auch dort verschlug mir es mir die Sprache als ich zum Beispiel das berühmte Tor auftauchen sah, ich im Frauen- und Kinder“Gefängnis“ war, dort wurden die Menschen teilweise bis zu 7 Tagen ohne Wasser und Brot eingesperrt, bevor man sie in die Gaskammer schickte. Die Dimension von Auschwitz-Birkenau ist unfassbar. Der Bahnwaggon aus der Deportation aus Ungarn der noch auf den Gleisen steht, das Mahnmal fast am Ende des Geländes macht dich einfach fassungslos. Gegen Mittag bin ich zurück ins Hotel und um 16:30 Uhr noch einmal in das KZ Auschwitz zu gehen. Dort kam ich in das Gebäude wo die ganzen Utensilien ausgestellt sind. Schlimm! Besonders schlimm war der Blick durch das Fenster wo die Kinderschuhe lagen. Da waren Schuhe dabei die nicht größer als 10cm waren. Erneut liefen mir die Tränen. Auch die Mengen an Erwachsenenschuhe macht einem die Dimension halbwegs klar. Es sind urplötzlich nicht „nur“ Zahlen sondern ist es alles greifbar/darstellbar. Entsetzlich!

Es ist natürlich nicht so, als hätte ich nicht gewusst was mich da erwartet! Aber es ist ein unfassbarer Unterschied ob ich das in einem Buch lese, in einer Doku sehe oder aber eben VOR ORT bin! Es gibt einfach kein Wort was das alles auch nur annähernd beschreibt was ich empfunden habe.

All die Hetzer in diversen Foren sollten sich das mal vor Ort ansehen. Wir sind alles Menschen völlig unabhängig der Hautfarbe oder Nationalität. Wir hier in Europa haben einfach Glück hier geboren worden zu sein. Fahrt hin nach Auschwitz und schaute euch dieses Mahnmal an!!!!

Ergänzend möchte ich noch hinzufügen: Ich habe mich noch nie so unwohl in meiner "deutschen" Haut gefühlt. Ich werde öfter gefragt ob ich für eine Foto zur Verfügung stehe. Ich lehne das natürlich nie ab. So passiert auch in Auschwitz. Als ich nach dem Foto von der Frau aus Japan gefragt wurde: Where are you from? und ich "Germany" antwortet. Fuhr ihr der Schrecken ins Gesicht! "Germany?" wiederholte sie. Ja, Germany. Ich habe dann noch etwas mit ihr geredet. Natürlich kann ich und ganz viele weitere nichts dafür was damals passiert ist, aber wir können auch nicht so tun als ginge uns das alles nichts mehr an!!


Wer möchte kann sich hier einige Bilder ansehen.

KZ Auschwitz: https://myalbum.com/album/twI0vRu4YpQi

KZ Auschwitz-Birkenau: https://myalbum.com/album/sp4zZaN4eBk2



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